Harmonisch ist die Beziehung zwischen Wissenschaft und Profit nur selten und akademische Monographien stecken gerade besonders tief in der Beziehungskrise. Der Forschungsaufwand und der Kreis potentiell interessierter Leser steht eben nicht im gleichen Verhältnis wie beim letzten Stieg Larsson Knaller, und zwar nicht erst seit gestern. Auch nicht erst, seit das Internet die Welt des akademischen Publizierens auf den Kopf gestellt hat. Im 18. Jahrhundert mussten Wissenschaftler Verlage bisweilen mit handfesten Deals ködern: Oft waren 50 Verträge nötig, in denen Berufskollegen, Freunde oder Gönner garantierten, das gedruckte Buch zu kaufen, bevor die Presse angeworfen wurde. Der Aufstieg der Wissensgesellschaft hat Monographien zwischenzeitlich zum profitablen Produkt werden lassen, in den 1980ern konnten Verlage allein von Seiten der Bibliotheken mit einer Nachfrage von 2’000 Stück pro Titel rechnen.
Mehr Output
Die Konkurrenz um die Gunst des Lesers nimmt weiterhin zu. Im Bereich der Literaturwissenschaften beispielsweise nimmt die Anzahl an Publikationen dreimal schneller zu, als die Anzahl an Professuren. Mehr Akademiker, die mehr Material produzieren, ein gutes Zeichen für die Wissenschaft. Die Krux liegt in folgender Frage: Für wie viele und welche Leser? Der Markt für Monographien ist eingebrochen. Bibliotheksbudgets schrumpfen und werden immer öfter für Journals aufgewendet. Nicht mehr 50% der Budgets stehen für Bücher zur Verfügung wie in den 70er Jahren, sondern 15%.
Wer wird’s lesen?
Nach Jahren der Forschung und Recherche freut sich der angehende Professor sicherlich darauf, sein eigenes Buch in Händen halten zu können, ebenso aber auf viele Zitate und auf den ultimativen Karriereschub. Nun, bei mittlerweile durchschnittlich noch 200 Exemplaren, die sein Verlag an Universitätsbibliotheken absetzten kann, und einer noch geringeren Stückzahl, die von Privatleuten oder anderen Institutionen erworben wird, sind seine Aussichten deutlich trüber als vor zwei Jahrzehnten. Hingegen ist die Wahrscheinlichkeit höher, auf Subventionen angewiesen zu sein.
Wenn die Erfolgsgeschichte der Journals tatsächlich wesentlich am Niedergang der Monographien beteiligt ist, dann lässt sich vielleicht deren Entwicklung kopieren. Nichts wird diesbezüglich heißer diskutiert als den Open Access Ansatz auch auf Monographien anzuwenden und elektronische Publikationsformen zu testen. Dieser Ansatz basiert aber auf der Annahme, dass die Leserschaft momentan von erschwertem Zugang und hohen Preisen abgeschreckt wird, nicht von der Textform. Die Vorteile von Journalartikeln gegenüber Büchern sollten jedoch nicht von der Hand gewiesen werden: sie sind verdichteter, flexibler, schnell verfügbar, aktueller, stärker ins Forschungsfeld eingebunden und interaktiver.
Die Bedürfnisse der Leserschaft bedenken
Die Rettung der Monographie hängt von zwei Entwicklungen ab. Einerseits können Bücher der veränderten akademischen Leserschaft angepasst werden. Eine verstärkte Strukturierung in Kapitel und Unterkapitel, optimierte, schnellere Prozesse in den Verlagen und die Such- und Verweisoptionen des digitalen Formates sind Beispiele dafür.
Andererseits steht dem akademischen Buch eine Diskussion noch bevor, die bezüglich Journals schon längst angebrochen ist: Wie wichtig sollten Publikationen und Prestige für die Karriere sein? Ist es optimal, wenn in allen Feldern der Geisteswissenschaften die Veröffentlichung eines Buches implizit vorausgesetzt wird, um sich für wichtige Beförderungen ins Spiel zu bringen? Der Schritt vom Buch zum Artikel könnte unter bestimmten Voraussetzungen und in einigen Fächern angemessen sein, in anderen überwiegen nach wie vor die Vorteile der Tiefe und Breite einer Monographie. Um Anpassungen da zu erlauben, wo sie sinnvoll sind, müssten sich aber über Jahrhunderte geformte Erwartungshaltungen langsam aufweichen. In Deutschland ist der Einbezug von Drittmitteln besonders häufig. Ideale Voraussetzungen, um Aufwand und akademischen Ertrag zum Thema zu machen! Zudem liegt hierzulande der Fokus stärker auf dem Erkenntnisgewinn als auf kommerziellem Erfolg. Um so wichtiger ist es, eine Diskussion um die Bedürfnisse des Lesers in Gang zu bringen, wenn die Arbeit von Jahren nicht allein im Lob der eigenen Familie beim Weihnachtsessen kumulieren soll.