Seinen Namen auf der Titelseite eines publizierten Papers zu lesen ist nicht nur schmeichelhaft, sondern hat bekanntermaßen konkrete Auswirkungen auf die Türen, die sich einem Autor öffnen. Längst ist im akademischen Kontext „Autor sein“ nicht mehr an das Verfassen eines Artikels gebunden. Wer ein Projekt anreißt oder entwirft, ein Experiment organisiert oder durchführt, Daten sammelt oder analysiert ist oft nicht dieselbe Person, welche die finale Schreibarbeit leistet. So wird die Liste der Autoren immer länger, denn auch wer nur unterstützend mitgewirkt hat, möchte genannt werden. Seinen Lebenslauf um eine Publikation zu erweitern ist zwar weiterhin von großer Bedeutung, eine Nennung als Autor ist jedoch mit weniger Lorbeeren verbunden, wenn die halbe Fakultät auf dem Titelblatt genannt ist. Umso wichtiger wird die Reihenfolge, in welcher Autoren aufgelistet werden, denn so kann sich die treibende Kraft hinter einem Artikel vom akademischen Hilfsarbeiter abheben – vielleicht. Das Thema ist nämlich ebenso kontrovers wie die internen Diskussionen bisweilen bitter sind. Obwohl sich noch keine universellen Richtlinien herauskristallisiert haben, kann eine „falsche“ Reihenfolge bei Entdeckung als Fehlverhalten interpretiert werden. Massig Spielraum für Konflikte, Intrigen und Dramen. Die folgende Liste gibt eine Übersicht über die widersprüchlichen Konventionen in den verschiedenen Fachrichtungen.
Mathematik, Wirtschaftswissenschaften, Physik:
Hier ist die Handhabe unkompliziert und klar: Endlich kommen die Albrechts und Bauers, die in der Schule immer als erste vortragen mussten, zu einer späten Genugtuung, denn Autoren werden in diesen Disziplinen überwiegend in alphabetischer Reihenfolge genannt.
Biologie und Medizin:
In den anwendungsorientierten Fachbereichen ist die Regelung etwas ambivalenter, aber gut etabliert: Der ersten und letzten Position kommt eine besondere Bedeutung zu: Der Laborleiter wird zuletzt aufgeführt. Dies ist die Person, welche die Gesamtübersicht über die Forschungsarbeit haben sollte, welche meist als korrespondierender Autor fungiert und welche üblicherweise für den Forschungskredit gerade steht. Die erste Nennung steht jener Person zu, welche die bedeutendste Leistung erbracht hat. Was die Reihenfolge „der Mittleren“ bestimmt, ist weniger klar definiert. Die Regelung mag zwar nicht alle Unklarheiten beseitigen, aber immerhin ist sie so gebräuchlich, dass diese – etwas humoristische – Untersuchung sich auf die Anwendung der Richtlinie verlassen konnte: Sie geht der Frage nach, ob eine Konferenz sich eher an theoretische oder anwendungsorientierte Forschende im Bereich IT wendet, indem sie untersucht, ob die Autoren der eingereichten Papers alphabetisch geordnet sind (was auf einen Hintergrund in einem Theorie-basierten Fach hindeutet) oder nicht (was auf anwendungsorientierte Forschung schlissen lässt). Der Autor der Studie musste sich übrigens auf keinerlei Diskussionen einlassen: Er ist mit dem Namen Appel, A.W. nicht nur alphabetisch im Vorteil, sondern er ist in diesem Fall auch der alleinige Urheber.
Sozialwissenschaften:
Der Einzelautor ist hier nicht so selten geworden wie in anderen Feldern, und vielleicht liegt darin der Grund, dass sich in diesem Fachbereich noch keine klare Richtlinie herausbilden konnte.
Solange Publikationen die Triebfeder der Forschung bleiben, darf nicht damit gerechnet werden, dass die Diskussionen um Autorschaft und Reihenfolge der Nennung in den Labors und Institutsbüros demnächst wesentlich entspannter geführt werden. Einige Institute haben eigene Richtlinien formuliert, und die Anzahl der Journals nimmt zu, welche zu jedem Autor ein kurzes Statement verlangen, um den jeweiligen Beitrag zu beschreiben. Bis dies zur universellen Praxis wird, oder bis die Ausnahmen zu den fachspezifischen Richtlinien abnehmen, bleibt die Reihenfolge der Autoren aber eine Kombination aus Streitthema und Rätselraten.