Dass der Impact Factor (die durchschnittliche Anzahl Zitate pro in einem bestimmten Journal publizierten Artikel) kein perfektes Maß für Qualität ist, ist klar. Die Mängel sind zu viele und zu gravierend. Selbst das Unternehmen, welches den Index berechnet und vertreibt, listet freimütig die Unzulänglichkeiten auf. Es weist darauf hin, dass sich diese Kennzahl bedingt als alleiniges Kriterium für die Beurteilung einer Fachzeitschrift eignet. Und schon gar nicht dafür, die Qualität eines Wissenschaftlers oder seiner Leistungen einzuschätzen. Andererseits ist die Verlockung groß, mühsame Arbeit durch den Blick auf einen Indexwert zu verkürzen. Die eigene Beurteilung eines Artikels oder eines Projekts kann Stunden in Anspruch nehmen, selbst für Leute, die sich im jeweiligen Fachgebiet bewegen. Da ist es sehr viel einfacher, eine Publikationsliste mit dem jeweiligen Impact Factor abzugleichen. Hinzukommt die Aura von Objektivität. Ist doch fair, das Forschungsbudget jenem zuzusprechen, der im „besseren“ Journal publizieren konnte! Schließlich arbeitet der mit Erfolg auf einem Gebiet, das von großem Interesse ist. Wieso nicht jenen Bewerber ins Team aufnehmen, der nach einem objektiven Kriterium bessere Leistungen gezeigt hat, statt mit einer persönlichen Entscheidung das Risiko eines Fehlurteils auf sich zu nehmen?
Wer hat Angst vor der eigenen Meinung?
Wie viel Beachtung findet der Impact Factor in der akademischen Welt also tatsächlich? Schlägt das Pendel langsam aber sicher wieder in Richtung eigener Beurteilungen aus? Das Research Excellence Framework (REF), das die Forschungsleistung britischer Hochschulen bewertet und durch dessen Kanäle Forschungsgelder fließen, sah sich gezwungen, eine Stellungnahme zum Thema zu veröffentlichen. Darin betonte es, dem Impact Factor keine übermäßige Beachtung zu schenken. Dies geschah auf Grund von großem Unbehagen in der akademischen Gemeinschaft, die offensichtlich eher mit dem Gegenteil rechnet. Immerhin entnimmt man den Äußerungen des REFs, dass der Impact Factor an Universitäten nach wie vor stark beachtet wird. Praktisch jeder Forschende wird ab der ersten Publikation zugeben, auf den Impact Factor „seiner“ Journals zu schielen. Doch dagegen regt sich mehr und mehr Widerstand, sei es in Form der DORA Deklaration oder der Aussage von Nobelpreisträger Randy Schekman, nicht länger in Journals mit sehr hohem Impact Factors publizieren zu wollen. Ist also ein Wandel im Gang? Eine Studie hat untersucht, welche Faktoren beeinflussen, ob eine bestimmte Karrierestufe im Bereich der biomedizinischen Forschung erreicht wird oder nicht. Sie stellt zwar fest, dass Publikationen in Fachzeitschriften mit hohem Impact Factor die Karriere vorantreiben. Aber auch, dass dieser Effekt mit fortschreitendem Dienstalter weniger stark ausgeprägt ist, und dass andere, bessere Kriterien ebenfalls wichtig sind. Die tatsächliche Anzahl Zitate etwa, die die eigenen Artikel bekommen (im Gegensatz zu einem Durchschnittswert des Journals) beeinflussen die Karrierechancen positiv, ebenso das Prestige der Universität oder des Labors, wo die Forschung stattfand.
Bleibt zu hoffen, dass dieser Trend anhält und das Diktat des Impact Factors ein Ende findet. Eine Zahl alleine wird nie zum Ausdruck bringen können, ob ein Forschender das Potential hat, sein Gebiet voranzubringen und ob seine Nische zukunftsweisend und wichtig ist. Dass vermehrt andere Kennzahlen herangezogen werden, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Mittelfristig wäre es aber noch idealer, wenn Komitees, die über die zukünftige Richtung der Forschung entscheiden, wieder die Zeit hätten, sich ein eigenes Urteil zu bilden, und wenn eine bessere Methode gefunden werden könnte, mit möglicherweise divergierenden Meinungen umzugehen.