Sind wir ehrlich: Forschung und akademisches Publizieren sind Spannungsfelder. Die Anreize fallen leider oft so aus, dass Karriereförderung und ethisches Verhalten im Wiederspruch zueinander stehen. Der Blätterwald nimmt zu, Open Access und Online-Only Formate haben zur Folge, dass wesentlich mehr Material veröffentlicht wird als noch vor einigen Jahren. In der Folge hat niemand mehr einen wirklich vollständigen Überblick über Neuerscheinungen in seinem Fachgebiet. Auf Forschenden lastet derweil unbestreitbarerweise der Druck, möglichst viele und möglichst gute Publikationen nachweisen zu können, sei es im Streben nach Forschungsbudgets oder nach Beförderungen. Und weil das „viel“ eben leichter nachvollziehbar ist als das „gut“, ist es verlockend, aus einem Forschungsprojekt oder einer Studie mehrere Publikationen zu zaubern. Teilweise ist es sinnvoll, ein riesiges Projekt, das sich möglicherweise mit klar abgrenzbaren Themen beschäftigt, herunter zu brechen. Manchmal aber machen sich die Autoren gezielt auf die Suche nach dem „Publon“, der mit einem Augenzwinkern so titulierten „kleinsten publizierbaren Einheit“ – es geht also um das so genannte „salami publishing“, ein Themenkreis mit vielen Grautönen, der in seiner Reinform aber als unethisches Vorgehen gilt. Da werden gesammelte Daten rezykliert indem ein Forschungsresultat unter mehreren, nur leicht unterschiedlichen Gesichtspunkten besprochen wird. Die zweite Methode der Artikelvermehrung besteht darin, die Forschungsleistung und Erkenntnisse in mehrere Teile zu trennen. Diese sollen gerade noch groß genug sein, um von Journals als substantiell und publizierenswürdig betrachtet zu werden, aber eben auch so viele Artikel wie nur möglich unter dem Namen des Autorenteams hergeben. Die resultierenden Artikelchen werden dann bei verschiedenen Journals, wenn möglich mit einem unterschiedlichen fachlichen Fokus, eingereicht.
Unfair und schädlich.
Das Problem an diesem Vorgehen liegt nicht bloß darin, dass ein Autor sich bei gleicher Leistung ungerechtfertigterweie mit mehr Publikationen schmückt, als seine ethisch korrekter vorgehenden Kollegen. Es resultieren auch aus wissenschaftlicher Sicht Probleme: Da bei der Scheibchentechnik gezielt verschiedene Journals beliefert werden, wird es der Leserschaft besonders erschwert, alle relevanten Informationen zu beziehen. Hat beispielsweise ein Wirkstoff Auswirkungen auf mehrere Körperorgane, oder hat eine wirtschaftspolitische Maßnahme in unterschiedlichen Ländergruppen verschiedene Konsequenzen, so wird der Leser jeweils über beide Seiten der Medaille informiert sein wollen. Findet die jeweilige Analyse aber in zwei Artikeln statt, die nicht auf einander verweisen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit von Fehlschlüssen. Zudem führen mehrere, sehr ähnliche Artikel zu Redundanz in der Fachliteratur. Die Zeit der Leserschaft wird ebenso verschwendet, wie knappe Seiten in den jeweiligen Publikationen, die für echte, neue Beiträge hätten verwendet werden können. Hinzu kommt, dass es bei allfälligen Metastudien zu Verzerrungen kommen kann, falls übersehen wird, dass dieselben Daten mehrfach verwendet wurden.
Verhinderbar?
Einige Journals versuchen, dem Problem der Salamitaktik gezielt entgegen zu wirken, beispielsweise, indem von allen Autoren Auskunft darüber verlangt wird, ob und welche weiteren Artikel sich zur Zeit im Veröffentlichungsprozess befinden oder was vorgängig im selben Themenkreis publiziert wurde. Es wird teilweise gezielt nach bereits veröffentlichten Artikeln der selben Autoren mit ähnlichem Titel und ähnlicher Hypothese gesucht, die dieselben Datensätze bearbeiten. Bei entsprechendem Verdacht wird Rücksprache mit den Autoren genommen. Im Review Prozess und bei den Redaktionsteams wird aber die Zeit auch ohne solche Ermittlunsarbeiten schon immer knapper; nicht zuletzt deswegen stehen der Qualitätssicherung in diesem Bereich also erhebliche Hindernisse im Weg. Solange sich in der Welt des akademischen Publizierens an der „Mehr ist besser“ Mentalität nichts ändert, wird die Ethik der Autoren wohl weiterhin die wichtigste Waffe im Kampf gegen die Salamitaktik bleiben.