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Wann darf ich von mir selbst abschreiben?

Blank_book_on_a_tableWissenschaftler im akademischen Betrieb werden meist von zweierlei Motivationen angetrieben: Sicherlich spielt der Forschergeist, das intrinsische Streben nach neuen Erkenntnissen und nach Fortschritt eine bedeutende Rolle – andererseits aber hat sich die Anzahl der im eigenen Namen publizierten Artikel zum ultimativen Zollstock des akademischen Erfolgs gemausert. Der Versuchung zu widerstehen, kalten Kaffee aufzuwärmen und einen Artikel mehrfach zu veröffentlichen, ist nicht immer einfach. Und die Versuchung des Abschreibens lauert hinter vielen Ecken.

Zu den verschiedenen Hüten, die sich das sogenannte Selbstplagiat aufsetzen kann, gehören die folgenden, sortiert von verwerflich bis wünschenswert:

  • Geringfügige Variation: Denselben Datensatz nochmal rezyklieren oder nur geringfügig ergänzen, an der Hypothese etwas herumbasteln, den Fokus leicht verschieben, eine andere Untergruppe des Fachgebiets ansprechen – Et voilà. Mit wenig Aufwand kann Material für einen Artikel mehrfach publiziert werden. Werden diese dann in Journals veröffentlicht, die ein hinlänglich unterschiedliches Publikum haben, ist die Chance auf Entdeckung leider gering (aber nicht ausgeschlossen, wie jüngste Skandale zeigen).
  • Aufmöbeln: Es gibt gute Gründe, die eigene Magister- oder Masterarbeit zu einem Doktorat auszubauen. Möglicherweise wurden bei ersterer Lücken im etablierten Wissen entdeckt, die zu füllen den Rahmen einer kleineren Arbeit schlicht gesprengt hätte. Auch ist es nicht erstrebenswert, angeeignetes Hintergrundwissen und Methodenkenntnisse in einem eng definierten Bereich nach dem Studienabschluss ungenutzt schlummern zu lassen. Die Aufstockung einer bestehenden Arbeit ist aber umstritten. Auf die eigene Vorleistung muss im Minimum verwiesen werden und gerade bei einer nicht publizierten Magisterarbeit muss der Umfang der bereits bestehenden Blöcke klar deklariert werden – auch hier sind zum „so nicht!“ leider genügend Beispiele in jüngeren Zeitungsschlagzeilen zu finden.
  • Neue Erkenntnisse: Jahre der Forschung, neu entwickelte Methoden, jüngere oder größere Datensätze und neue Erkenntnisse werfen ein ganz anderes Licht auf bereits publizierte Forschungsthesen. Solche Revisionen zusammen mit einer Übersicht über die älteren Ergebnisse zu publizieren ist kaum eine Form des Plagiats – sondern die innere Funktionsweise der Forschung. Die älteren Ergebnisse als solche auszuweisen kann kaum vermieden werden, ethisch sind also keine Probleme in Sicht!
  • Von der Fachpublikation in die öffentliche Diskussion: Viele Themen der Forschung sind für die Öffentlichkeit von Interesse. Akademische Texte einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, indem solche neu formuliert und knackiger präsentiert werden, ist definitiv erstrebenswert. Es ist unproblematisch, Zeitungsartikel oder Materialien in nicht-akademischen Publikationen ohne Peer Review zu veröffentlichen. Ab und zu kann es aber auch vorkommen, dass ein Wissenschaftler seine Arbeit auch für Forscher anderer Disziplinen für relevant hält. Beispielsweise können neue Einblicke aus der Klimaforschung auch für Ökonomen äußerst interessant sein –  eine Variation des ursprünglichen Textes wäre gerechtfertigt. Der Schlüsselpunkt ist dann allerdings (Sie werden es schon ahnen), hinlänglich klar auf die vorgängige Publikation zu verweisen.
  • Übersetzungen: Diese sind im Wissenschaftsbetrieb explizit erlaubt bis erwünscht. Wenn ein Text ursprünglich in der Muttersprache des Autors oder der Sprache der finanzierenden Institution verfasst wurde, sollte das nicht heißen, dass der Inhalt für die breitere, englischsprachige Leserschaft verloren sein muss. Übersetzungen sind erlaubt, aber Achtung: Wie bei allen anderen Formen der Wiederholung früher formulierter Ideen muss der übersetzte Artikel auf jeden Fall als solcher ausgewiesen werden. Der Peer Reivew Prozess kann dann entsprechend angepasst werden.

Mehrfachpublikationen spielen sich in einem breiten Spektrum von Grauzonen ab und der Publikationsbetrieb ist erst dabei, Abwehrmechanismen gegen die dunkleren zu errichten. Einige Journals haben als Pioniere bereits explizite Maßnahmen ergriffen, andere ignorieren das Thema noch. Vom raschen vorankommen dieses Prozesses hängt aber ab, dass ethisch fragwürdige Forscher sich nicht bevorteilligen können und wichtiger noch: dass die Zeit der Peer Reviewer und der Leser nicht noch zusätzlich strapaziert wird. Hoffen wir auf gute Resultate, damit wir uns nicht länger auf starke Ethik verlassen müssen!