Thesenverteidigung: Krönung der Forschungsleistung & akademisches Begrüßungsritual

09 Mai 2014  |  Geschrieben in Forschung und Schreiben, Thesis   |  Schreiben Sie einen Kommentar »

disputationDie Thesenverteidigung einer Bachelor-, Master- oder Doktorarbeit, auch Disputation genannt, bildet den letzten Schritt vor Verleihung des angestrebten Titels. Sie bildet damit in gewisser Weise die Krönung der erbrachten Forschungsleistung. Für die konkrete Ausgestaltung legt in Deutschland jede Fakultät ihre eigenen Richtlinien fest, grundsätzlich soll der Urheber der Arbeit aber öffentlich und vor einem Fachpublikum seine Hypothese, Voraussetzungen und Vorgehensweise darlegen, seine Resultate präsentieren, seinen Beitrag zum gewählten Forschungsfeld einordnen, und in einem zweiten Teil Fragen dazu beantworten.

Mehr als eine mündliche Prüfung

Von Studenten und Forschenden wird dieses Ritual oft als eine Art mündliche Prüfung wahrgenommen, unterscheidet sich davon aber in einem wesentlichen Punkt: Oft kennt sich der Geprüfte nach wochen- oder monatelanger Arbeit in seinem Teilgebiet besser aus, als das Expertenkomitee. Gestellte Fragen dienen nicht primär dazu, Wissen abzufragen und zu prüfen, sondern sind oft ehrliche Verständnisfragen und zeugen von Interesse. Nicht selten kommt es auch zu Diskussionen zwischen den einzelnen Komiteemitgliedern. Dies entspricht durchaus der Geschichte der Thesenverteidigung, welche zu einer Zeit entstand, als Forschung vermehrt im Diskurs stattfand, und die Rolle des Lehrers sich weniger scharf von jener des Schülers abgrenzte. Die Verteidigung einer grösseren Arbeit, damals nicht selten vor der komplett versammelten Fakultät inklusive Studentenschaft gehalten, diente zwar dazu, die erworbene neue Erkenntnis dem kritischen Blick der zukünftigen Kollegen zu unterziehen. Neben diesem akademischen Grundprinzip war es aber ebenso bedeutend, die Forschungsleistung aus dem Labor oder Studierzimmer ans Licht zu bringen und allgemein zugänglich zu machen. Die mündliche Thesenverteidigung diente außerdem als eine Art Antrittsvorlesung. Etablierte Experten prüften nicht nur die Forscherqualitäten des angehenden neuen Kollegen, sondern besahen den Kandidaten auch in der Rolle des Wissensvermittlers und Lehrers. Auch wenn sich der akademische Betrieb inzwischen verändert hat und längst nicht jeder Doktorand eine Professur anstrebt, so kann die Verteidigung der Dissertation durchaus auch heute als Willkommensgruß in die akademische Gemeinschaft gesehen werden.

Durchfallen (fast) ausgeschlossen

Wer der Verteidigung seiner These nervös entgegen blickt, tut gut daran, sich dies in Erinnerung zu rufen. Es erklärt, wieso im Rahmen der Thesenverteidigung ab und an Änderungen oder Ergänzungen an der Arbeit verlangt werden, ein Durchfallen bei diesem mündlichen Teil aber äußerst selten ist. Schließlich kennt der Betreuer die Arbeit, hat Entwürfe davon in mehreren Stadien gesehen und weiss, dass die Arbeit reif ist für die Öffentlichkeit. Zentrale Bedeutung kommt daher bei der Verteidigung neben dem Inhalt auch einer verständlichen, spannendem und knackigen Präsentation zu. Oft erhält der Geprüfte durch die gestellten Fragen ein besseres Gefühl dafür, welche Bereiche seiner Arbeit für Publikationen ausgekoppelt werden können, oder er erhält von etablierten Experten wertvolle Fingerzeige für weiterführende Forschung. Wer mit Leuten spricht, die sich bei der Verteidigung von Doktorarbeiten als Mitglieder von Expertenkomitees betätigt haben, der spürt durchaus die Freude daran, einem neuen Mitglied in ihrer Gemeinschaft die Gelegenheit geben zu können, erstmals in formellem Rahmen an einem Diskurs unter Gleichberechtigten teilzunehmen, wie dies später etwa an Konferenzen stattfinden wird. Gefürchtet werden muss das Ritual also nicht.

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